Der Wind bläst seit gestern mit über 30 Knoten aus Nordwest. Wir liegen im Hafen der kleinen Insel Lipsi. Da die Innenseite der Pier inzwischen voll belegt ist, versuchen nun Boote, die vor dem noch stärkeren Wind draußen auf offener See geflüchtet sind, an der Außenseite anzulegen - ein sehr herausforderndes Manöver, das den meisten nicht beim ersten Versuch gelingt. Der Buganker braucht sehr viel Kette und muss sofort halten, das Boot darf nicht quer schlagen und auf die Pier gedrückt werden. “Hafenkino” für diejenigen, die schon fest liegen, so sagt man manchmal. Aber das hier ist kein Vergnügen. Mancher dreht wieder ab und sucht sich eine Bucht zum frei Ankern.
Wir sind vorgestern von Patmos bei schönem halbem Wind herübergesegelt. Das war ein Vergnügen. Dann kam der Meltemi. Zwar bläst uns nun der starke Wind direkt ins Cockpit und es gibt keinen lauen Sommerabend an Deck. Aber wir liegen gut, der Anker hält und wir haben unsere schweren Leinen mit den Ruckfendern nach hinten ausgebracht, um die Klampen zu schonen.
Es ist keine Strafe, bei Meltemi hier festzuliegen. Lipsi ist eine schöne kleine Insel mit Landwirtschaft, Weinbau und Fischfang. Hier geht es ganz beschaulich zu. Beim Wandern sehen wir Buchten mit schönen Stränden, unzählige blauweiße Kirchlein, und wir haben auf den Höhen immer wieder weite Ausblicke auf die vielen kleinen umliegenden Inseln. Auch nach Leros, unserem nächsten Ziel, können wir herüberschauen.
Manolis, in weißer Kochweste, kommt mit seiner kleinen Tochter auf die Pier und überreicht uns die Speisekarte von seinem Restaurant im Ort. Da sehen wir sehr interessante Gerichte drauf, so zum Beispiel „Grilled vegetables with honey vinaigrette“ oder „Tenderloin stuffed with dried tomatoes and cheese“. Da können wir nicht widerstehen und gehen an einem Tag zu „Manolis Tastes“ zum Abendessen. Einfach köstlich!
Beim Wandern entdecken wir Dimitris Farm. Hier betreibt der Sohn von Dimitris, Kostas, ökologischen Land- und Weinbau. Wir erzählen ihm, dass wir auch aus einem Weinanbaugebiet kommen und dass dort durch den Klimawandel inzwischen ganz andere Rebsorten angebaut werden können und die Weinlese immer früher beginnt. Das sei auf Lipsi auch so, berichtet er. Früher hätte die Weinlese gegen Ende August begonnen, jetzt schon im Juli. Wir probieren seinen Wein, den er ohne den Einsatz von Herbiziden anbaut und ohne Schwefelzusatz beim Keltern. Der stärkste, den wir probieren, hat 16 Alkoholprozent. Wir nehmen zwei Flaschen mit und nehmen uns vor, ihn nur in kleinen Mengen zu trinken. Auf Dimitris Farm treffen wir auch drei junge Frauen aus Deutschland an. Sie machen hier einen vierwöchigen Freiwilligendienst zur Unterstützung in der hiesigen Landwirtschaft.
Zurück auf unserem Boot bläst der Wind unvermindert und wir fragen uns, ob wir morgen wie geplant unseren letzten Schlag nach Leros ins Sommerquartier für unser Boot machen können.
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