Springe zum Inhalt

Nach einem Tag unterwegs, wenn wir unser Ziel für die Nacht ansteuern, macht sich eine leichte innere Unruhe breit: Wie werden die Gegebenheiten im Hafen bzw. in der Bucht tatsächlich sein? Natürlich haben wir uns im Hafenguide, auf Navionics und bei Navily vorher gut informiert, Aber trotzdem: Wieviel Platz wird sein, wird uns ein plötzlicher kräftiger Wind das Anlegen erschweren, wird jemand an der Pier stehen und unsere Leinen annehmen? Hält unser Anker gleich beim ersten Versuch? Vergessen ist diese innere Unruhe sofort, wenn wir gut liegen und erst recht, wenn wir in einem Hafen freundlich begrüßt werden. Das war bisher immer der Fall.

Am nächsten Tag gleich wieder losfahren, das müssen wir nicht. Wir haben ja die Zeit, die Orte, die wir angesteuert haben, ein bißchen kennenzulernen. Unsere Erfahrung: Oft lohnt es sich zu bleiben. Manche Plätze, die wir besucht haben, waren so wunderschön, dass wir schon beim Ankommen gesagt haben „Hier bleiben wir nicht nur eine Nacht (z.B. in Port Palermo, Albanien). Aber auch wenn ein Ort auf den ersten Blick nicht so sehr einladend auf uns wirkt, können wir ihm meist nach und nach etwas abgewinnen. Oft geschieht das auch durch die Erfahrung mit den Menschen, denen wir begegnen: Unsere „Agentin“ Jelja fürs Einklarieren in Saranda, die uns nach zwei Nächten mit Handschlag verabschiedet hat. Das war nicht nur eine formale Geste, es kam von Herzen. Oder die Menschen, die uns eher zufällig begegnen, die auf einer Baustelle arbeiten, die wir einfach nur grüßen oder nach dem Weg fragen. Immer werden ihre Gesichter freundlich, sie grüßen zurück oder wenn wir eine Frage haben, wollen sie uns helfen. Oder im Laden die Albanerin mit dem gelben Kleid und dem Strohhut, die 50 Jahre in der Schweiz gearbeitet hat und jetzt in ihrer Rente in ihr Heimatland zurückgekehrt ist. Wir kaufen ein Brot, sie steht neben uns und sagt „Hier gibt es auch noch ein Brot aus Maismehl. Das ist sehr fein.“ Keine Frage, wir kaufen das Brot.

Irgendwann wollen oder müssen wir wieder los. Schließlich ist Aglaya ja kein Ferien-Bungalow. Also Abschied. Und hoffentlich schönes Segeln mit dem passenden Wind zum nächsten Ziel. Dann kommt das gute Gefühl, wieder unterwegs zu sein.

Um uns  Kerkyra anzusehen und den schönen Park und das Schloss Monrepos am Stadtrand zu besuchen, nahmen wir uns einige Tage Zeit. 

Am 23. Mai machten wir uns auf den Weg nach Norden. Saranda, die südlichste Stadt Albaniens, hatten wir vom Boot aus in den letzten Wochen schon immer wieder gesehen. Sie liegt nur wenige Seemeilen entfernt von der Nordspitze von Korfu.

Wenn man nach Albanien einreist, muss man sich bei den Behörden melden und einklarieren. Albanien gehört nicht zur EU, ist allerdings Beitritts-Kandidat. Zum Einklarieren braucht man einen „Agenten“. Klingt ein bisschen nach James Bond. Schon am Tag vor unserer Ankunft in Saranda hatten wir von Korfu aus Kontakt mit Jelia aufgenommen. Sie verschaffte uns einen Platz an der Zollpier und erledigte alle Formalitäten für uns. Sehr angenehm. Und wir durften sogar zwei Nächte bleiben. Unser Liegeplatz war allerdings etwas gewöhnungsbedürftig: direkt neben einem großen Schiff, das gerade instand gesetzt wurde. Zudem legte sich über Nacht noch eine Fähre vor uns direkt über unsere Ankerkette. Sie manövrierte sehr vorsichtig, sodass wir uns keine Sorgen machen mussten.

Saranda ist eine quirlige große Stadt, total verbaut, an der Uferpromenade viele Bars und Restaurants. Jelia beschaffte uns für einen Tag einen Leihwagen. So konnten wir Butrint besichtigen und durch die Berge nach Gyrokaster fahren.

Butrint und Gyrokaster

Das antike Butrint ist die am meisten besuchte archäologische Stätte Albaniens und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Nicht nur die Mauern und Bauten aus einer Zeitspanne von fast 2500 Jahren (von den griechischen Kolonisten bis zu Ali Pasha) haben uns beeindruckt. Auch die Lage auf einer kleinen Halbinsel zwischen Butrintsee und Vivar-Kanal hat uns begeistert. Eine tolle Lagunenlandschaft mit Ausblicken bis nach Korfu und in die Berge.

Über eine spektakuläre Passstraße fuhren wir ins Drino-Tal zur osmanischen Stadt Gyrokaster. Auch sie zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt mit ihren engen, steilen Gassen ist auf drei Bergrippen angelegt. Der frühere Diktator Enver Hoxha wurde hier geboren. Zurück vom vielen Sightseeing saßen wir am Abend etwas k.o. in unserem Cockpit, eingeparkt zwischen den Fähren.

Kleiner Ausflug in die Geschichte: Ali Pasha

Ali Pasha (vermutlich 1740-1822) begegnet einem in Griechenland und Albanien häufig. Er stammte aus Albanien und war 20 Jahre lang Kopf einer Diebesbande, die er dann an den Sultan Mahmut II verriet. Das brachte ihm die Gunst des Sultans und er wurde mit der Herrschaft über (das heutige) Nordgriechenland, Albanien und Nordmazedonien  für das Osmanische Reich beauftragt.

Bekannt und berüchtigt war er wegen seiner äußerst brutalen Herrschaft und der Hinrichtung von tausenden Griechen und Albanern, die sich weigerten, zum Islam überzutreten.

Ali Pasha war auch ein machtbewusster Politiker, der versuchte, das Gebiet, das er beherrschte, zu einem eigenen Staat zu formen. Seine Armee umfasste zeitweise 100.000 Mann. Er herrschte über Epirus, Südalbanien, Thessalien und das südwestliche Makedonien , was ihm letztlich zum Verhängnis wurde: Er wurde im Auftrag des Sultans ermordet, sein Kopf wurde nach Konstantinopel gebracht, mit Salz haltbar gemacht und dort ausgestellt.

Was man heute noch von ihm sieht, sind viele Festungsbauten an exponierten Stellen, die oft auf venezianischen Fundamenten stehen und beeindruckende, für die damalige Zeit hochmoderne Militärarchitektur zeigen.

Port Palermo

Port Palermo, 17 Seemeilen nördlich von Saranda, war am nächsten Tag unser nächstes Ziel. Bei der Einfahrt in die gut geschützte Bucht waren wir gespannt, ob wir an der sehr hohen Betonpier überhaupt anlegen durften. Port Palermo war früher eine Militärbasis mit einem U-Boot-Bunker. Der nördliche Teil ist immer noch Militärgebiet. Im südlichen Teil kann man auf sehr tiefem Wasser ankern oder an die alte Pier gehen. Allerdings hatten wir von anderen Seglern gelesen, dass sie wieder weggeschickt wurden. Das Anlegen an der Pier war gar nicht so einfach und klappte nur mit einem sehr sportlichen Klettern nach oben. Und das Festmachen war auch nicht einfach, da es nur sehr wenige Poller gibt. Wir haben es geschafft. Und wir hatten Glück: Die Polizei erlaubte uns zu bleiben, nachdem sie alle unsere Dokumente abfotografiert und unser Boot inspiziert hatte.

In der schönen Bucht gibt es einen Badestrand, ein Restaurant und auch hier eine Ali-Pasha-Burg. Ein toller Platz und zudem auch wirklich gut geschützt. Das konnten wir feststellen, als in der Nacht ein Gewitter über uns tobte. Da bleiben wir doch noch eine weitere Nacht.

Nachdem wir Walters Geburtstag noch am wildromantrischen Ponton von Rabitt gefeiert hatten, ging’s am 5. Mai los. Nach Norden durch den Kanal von Lefkada nach Preveza. Hier konnten wir das griechisch-orthodoxe Ostern miterleben. Bisher dachten wir, dies sei immer eine Woche nach unserem Ostern. Stimmt aber nicht. Der Termin für Ostern in Griechenland wird nach dem Julianischen Kalender berechnet und findet immer am Wochenende nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang statt. Am Ostermontag kam unsere Freundin Claudia für 10 Tage an Bord. Am Dienstag nach Ostern wollten wir Lebensmittel für die nächsten Tage einkaufen und losfahren. Wir waren sehr erstaunt, dass alle Läden immer noch zu hatten. Ein Einheimischer klärte uns auf: Da der 1. Mai (auch ein Feiertag in Griechenland) in diesem Jahr auf den Karfreitag gefallen war, wurde er am Dienstag nach Ostern nachgeholt. Sehr pragmatisch, die Griechen.

Zwischen dem griechischen Festland und Korfu segelten wir dann im Zickzack nach Norden, erst für einen Ankerstop zur Insel Paxos nach Mongonisi ganz im Süden, dann nach Sivota. Immer wieder schön. Am nächsten Tag kein günstiger Wind für unseren Kurs nach Norden. Also schauten wir uns die schönen Buchten und exklusiven Apartment-Anlagen zu Fuß an.

Nächste Station: Petriti auf Korfu. Der nette kleine Fischerhafen, den wir auch schon vom letzten Jahr kennen. Auf der Suche nach einer Mülltonne erfuhren wir, dass der Hafen für Segler noch nicht in Betrieb ist. Kein Problem für uns mit unseren vollen Wassertanks und Solarpaneelen. 

Dann wieder zum Festland, nach Sagiada, das nur vier Kilometer von der albanischen Grenze entfernt liegt. Im Hafenführer steht, dass die Einfahrt in den kleinen Hafen nur sechs Meter breit ist. Stimmt. Man muss schon gut zielen, um mit unserem vier Meter breiten Boot mittig durchzukommen. Mit nur drei anderen Segelbooten war es recht nett dort. Und es gibt gute Fischrestaurants. Südlich vom Hafen beginnt ein Naturschutzgebiet mit Lagunen und einer Flussmündung. Vielleicht kommen wir nochmal wieder und wandern dort ein bisschen.

Die nächste Nacht verbrachten wir vor Anker fast ganz im Norden auf der Ostseite von Korfu in der Bucht Agios Stefanos vor Anker. Bei Dunkelheit sahen wir die großen Fähren auf den Weg von Igoumenitsa nach Italien vorbeifahren. Walter hatte zum ersten Mal auf seinem Handy den Ankeralarm eingestellt. Wir wollten wissen, ob er wirklich funktioniert. Da er den Schwojenkreis sehr eng eingestellt hatte, machte uns morgens um halb sechs der Alarm wach. In diesem Fall sehr beruhigend. Unser Anker ist nicht gerutscht, aber wir wissen jetzt, dass der Alarm funktioniert.

Am nächsten Tag gab es nur einen kurzen Schlag um die Ecke an die Nordküste nach Kassiopi. Diesen Hafen kennen wir auch bereits und auch die fitte, energische und sehr nette Hafenmeisterin. Hier wollten wir entscheiden, ob wir ganz um Korfu herum segeln. Der Wind hatte allerdings bereits zwei Tage zuvor auf Süd gedreht und wurde mit jedem Tag stärker, vor allem auf der Westseite von Korfu. Erzwingen wollten wir es nicht, also verabschiedeten wir uns von unserem Vorhaben. Für das Gegenan-Kreuzen war der Wind zu stark und Motoren macht keinen Spaß. Beim Landtag in Kassiopi schauten wir uns das Kastro an und suchten uns eine schöne Bucht zum Baden. Noch ganz schön kalt das Wasser, aber glasklar.

Am nächsten Tag drängte uns die Hafenmeisterin, den Hafen möglichst bald zu verlassen, da  starker Wind angekündigt war, bis zu sieben Beaufort. Also raus und wieder nach Süden in die Enge zwischen Festland und Insel. Der Wind wurde zwar nicht ganz so stark. Mit Baumfock und Besan konnten wir schön kreuzen.

Und dann landeten wir hinter den Fischfarmen. Bei den Kühen. Von Kassiopi im Norden kommend, brauchten wir einen Liegeplatz für die Nacht am Festland. Im Hafenführer steht, dass die Bucht Panagia nicht nur gegen Wind aus allen Richtungen geschützt ist, sondern definitiv anders als alle anderen Plätze in den Ionischen Inseln. Das wollten wir uns natürlich ansehen. 10 Meilen gegenüber von Korfu Stadt fährt man an endlosen Fischfarmen vorbei, kreisrunde Netze mit einem Durchmesser von 10 bis 20 Metern. Das Land ist karg, unbewohnt, Macchia, Büsche. Direkt wenige hundert Meter dahinter Albanien.

Man kurvt um die Farmen herum, und ist plötzlich allein (mit einem einzigen anderen Boot) in einer spiegelglatten Bucht, ringsum Grün, windstill, man hört nichts – außer den Kühen, die hier weiden. Vollkommene Stille und Einsamkeit – wunderbar.

Aus der stillen Idylle steckten wir unseren Bug am nächsten Tag hinaus in die See zwischen Festland und Korfu. Kurs West bei Wind bis zu 32 Knoten und viel Dünung aus Südost. Der Besan und die halbe Genua reichten vollkommen aus, um schnell nach Kerkyra (Korfu-Stadt) hinüberzukommen. In der Mandraki Marina liegen wir nun wie im letzten Jahr unterhalb der Festung. Heute, am 18. Mai, ging Claudia wieder von Bord, um nach Hause zu fliegen. Es war eine schöne Zeit zu dritt. Wir bleiben noch bis Dienstag in der Hoffnung, dass wir am Montag unsere Briefwahlunterlagen für die Europa- und Kommunalwahl beim Deutschen Generalskonsulat abholen können.  

Als uns der schwere Deutz-Fahr-Traktor, wir standen etwas wacklig auf Aglaya, ins Wasser gedrückt hatte, war ja noch ein Motorservice, Ölwexel, Getriebeöl-Check, Filterwexel und Impellerwexel fällig. Dazu schleppte uns Rabitt, der Manager des Boatyards, mit seinem nur halb aufgeblasenem Schlauchboot an seinen Ponton. Schon letztes Jahr hatte er uns den gezeigt mit den Worten „this is my kingdom“.

Jetzt lagen wir also für drei Tage in seinem Königreich. Ein völlig zusammengerosteter Ponton, der aussah, als würde er in den näxten  Tagen absaufen. Davon ging eine Gangway zu einem weiteren Ponton, der etwas stabiler aussah, allerdings auch ziemlich runtergekommen. Kurbelwellen, Motorblöcke, Schlauchboote ohne Luft, Liegestühle, Dutzende Autobatterien, Masten, Drahtseile, verrostete Kompressoren, Holzlatten, Vorschlaghämmer, Kabel  – von der Optik her unfassbar. Aber: Strom und Wasser. Ein Boot kam noch und legte sich bei uns ins Päckchen „they will leave on sunday“, was natürlich nicht stimmte, aber am Sonntag wollten wir los.. 

Man musste etwas klettern, um auf die Pontons zu kommen und wieder aufs Boot – kein Problem.  Der Blick nach Westen ging auf die Ukrainer und Finnen, die auf ihren Booten arbeiteten und auf die Werft – nach Osten auf die wunderschöne Bucht, türkisgrünes Wasser, saftig grüne Berge – wunderbar.  Und immerhin jetzt 40cm Wasser unter dem Kiel statt 30 beim Landgang – etwas mehr als die Handbreit.

Und Rabitt ist total zuverlässig, Ostersonntag um halb elf, wie vereinbart, war er in seinem Königreich und half uns beim Ablegen. Im Sommer kommen wir für zwei Monate wieder, und im Winter lassen wir uns wieder aufs Land ziehen – schön wars hier!

… und zwar ins Wasser. Nachdem wir in den letzten Tagen unser Boot vom Saharastaub gesäubert und gepflegt haben und alle vier Segel wieder angeschlagen sind, sind wir startklar. Aglaya strahlt mit neuer Antifouling und poliertem GFK, aber vor allem, nachdem sie heute planmäßig wieder im Wasser schaukeln kann. Nun liegen wir an Rabitts Ponton (den er sein Königreich nennt) und der Motorservice läuft. Danach kann es losgehen.

Es ist schön hier in Vlycho auf Lefkas. Vielleicht bleiben wir nach der arbeitsreichen Zeit noch ein zwei Tage. Dann wollen wir nach Norden durch die Enge bei Lefkada, wobei dort vor einigen Tagen die Klapp/Drehbrücke von einem Schiff demoliert wurde, aber wir passen wahrscheinlich trotzdem durch. Gerade lesen wir, dass die Brücke repariert wurde. In Preveza bekommen wir dann für 10 Tage Besuch.

Aber jetzt kommt hier erst einmal das griechisch-orthodoxe Ostern. Letztes Jahr haben wir es in Monemvasia miterlebt. Mal schauen, wie das hier ist.

Die Natur zeigt uns, dass der Frühling nicht mehr weit ist und wir beschäftigen uns mehr und mehr mit der kommenden Segelsaison. Aglaya steht noch an Land. Einige Arbeiten im Cockpit wurden bereits von unserem Freund Pepi erledigt. Für uns gibt es dann noch genug zu tun, wenn wir im April wieder an Bord gehen. Die Vorfreude auf das Segeln in diesem Jahr steigt. In den letzten Wochen haben wir sie auch gesteigert, indem wir noch einmal auf das vergangene Segeljahr zurückgeblickt haben. Dabei sind zwei kurze Videos entstanden. Könnt ihr gerne anschauen.

Hier geht’s zu den Videos.

Wir wünschen allen Freunden an Land und auf See schöne Weihnachten und ein glückliches Jahr 2024!

Einen kleinen Rückblick auf unser vergangenes Jahr findet ihr hier.