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Der Peleponnes lässt uns nicht los. Ein Stück entlang des Golfs von Korinth fahren wir mit dem Auto nach Diakopto. Von dort fährt eine Schmalspurbahn (teilweise als Zahnradbahn) durch eine spektakuläre Schlucht 23 Kilometer hinauf in die Berge bis nach Kálávryta. Leider müssen wir feststellen, dass alle Fahrten für diesen Tag ausgebucht sind. Daher fahren wir mit dem Auto durch eine spektakuläre Berglandschaft Richtung Kálávryta bis zum Kloster Mega Spileon.

Das Kloster ist an den senkrechten Fels gebaut. 1943 brannten es die deutschen Nazis nieder, aus Rache, weil es den Partisanen der Griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS gelungen war 81 deutsche Wehrmachtsangehörige gefangen zu nehmen. Diese sollten gegen griechische Freiheitskämpfer ausgetauscht werden.  Das gelang aber nicht. Im Kloster starben 17 Kinder und Mönche im Alter von 14 bis 88 Jahren. Eine Gedenktafel nennt ihre Namen und ihr Alter. Auch in Kálávryta wüteten die Nazis. Sie trieben alle 1300 Einwohner zusammen, töteten alle Männer, plünderten die Häuser und setzten sie in Brand. Diese Taten sind bis heute nicht gesühnt!

Die Strecke der Schmalspurbahn unten in der Schlucht können wir immer wieder von oben sehen. Wer gerne wandert, fährt mit der Bahn bis zur Mittelstation und läuft dann entlang der Gleise in dreieinhalb Stunden wieder hinunter. Dabei geht es auch durch Tunnel und über ausgesetzte Brücken. Da ist Schwindelfreiheit gefragt. Wir hätten das gerne gemacht. Aber die Tour mit dem Auto war auch sehr beeindruckend.

Den 916 Meter hohen Varasova sehen wir von unserem derzeitigen Liegeplatz in Messolonghi jeden Tag - bei unterschiedlichem Wetter und Licht. Abends bei Sonnenuntergang zeigt er sich oft in Rot - Alpenglühen also.

Da wir ja nicht nur Segler, sondern auch begeisterte Bergwanderer sind, machen wir uns von seinem Fuß aus auf den Weg, steil hinauf 400 Höhenmeter auf ungefähr halbe Höhe. Ab dort geht es dann in den steilen Fels. Das ist nur etwas für versierte Kletterer. Die sind wir nicht. Unser Ziel ist eine kleine Kapelle. Von dort haben wir einen weiten Blick über den Golf von Patras und die Ebene um Messolonghi. Hier oben fühlen wir uns ein bißchen wie auf einer Alm im Allgäu. Überall blühen Herbstzeitlose in Violett und Weiß, Alpenveilchen und viele andere Blumen. Ein Blumenmeer, wunderschön anzuschauen nach den trockenen Sommermonaten. Nach dem Abstieg haben wir uns dann am Fuß des Felsens in Kryoneri ein kühles Bier gegönnt.

Viele Segler lassen ihr Boot im Winter in den Marinas in Prevezza. Das wollen wir uns mal anschauen und mit einem Besuch beim Segelmacher verbinden, der uns über den Winter eine neue Genua machen wird. Die neue Autobahn nach Lefkada ist noch nicht fertig. Also fahren wir viel Landstraße (mit vielen Schlaglöchern), aber mit herrlichen Ausblicken auf den Ambrakischen Golf. Besonders gut gefallen hat und das kleine Städtchen Vonitsa mit seinem Hafen und der über dem Ort gelegenen Festung.

In den Marinas von Prevezza gibt es jeden Service und viele Stellplätze an Land. Im Vergleich zur familiären, idyllischen und ruhigen Marina in Messolonghi, die allerdings zurzeit keine Lizenz für Arbeiten an den Booten hat, ist hier alles groß und eher unpersönlich. Beim Segelmacher lassen wir unsere alte Genua - sozusagen als Vorlage. Aber er ist dann trotzdem noch extra nach Messolonghi gekommen, um unser Boot genau auszumessen. Im Frühjahr wird dann Aglayas Segelkleid komplett neu sein.    

Das Land hinter den Lagunen von Messolonghi ist wild. Ein schroffes, steiles, teils verkarstetes, teils vulkanisches Gebirge mit ungeheuren Felsabstürzen, senkrechten Felswänden und Schluchten. Wir sind nach Kato Retsina gefahren, einem winzigen Dorf auf einer Felskante oberhalb von Messolonghi (siehe auch „Wissenswertes“). Schon hier hat man einen gewaltigen Blick auf die Ebene, die Lagune und das Meer, natürlich auch auf das Varasova-Gebirge gegenüber von Patras. Hier waren wir schon, denn Anatoli hat hier, genau an der Kante, ein Restaurant mit diesem unglaublichen Blick. 

Diesmal hatten wir einen Tipp von unseren Marina-Nachbarn Tony und Pat. Wir fuhren also von Kato Retsina noch weiter hinauf ins Gebirge, mit wilden Schluchten und oft Fernblick aufs Meer, auf die südlichsten ionischen Inseln Kefallonia und Zakynthos. Die Straßen schmal und in keinem guten Zustand, aber das war erst ein Vorgeschmack.

Jenseits der Passhöhe öffnete sich ein riesiges grünes Tal, begrenzt von steilen grünen Hängen, man fühlt sich ans Tessin oder ans Piemont erinnert, mit uralten Eichen und weiter unten Esskastanien (Käschte, wie der Pfälzer sagt). Kleine Dörfer, Ziegen, die die Hänge hinaufkraxeln, und die Straßen immer schmaler. Manchmal geht es in den Kurven direkt neben der Straße senkrecht nach unten, mehrere hundert Meter tief, es wird einem beim Fahren fast schwindlig. Die Beschilderung natürlich auch nicht immer so besonders eindeutig, so dass wir mehrmals umdrehten, weil wir ernsthafte Zweifel hatten, ob wir überhaupt noch weiterkommen. 

Zu der weiten Ebene mit zwei Binnenseen unter uns schraubten wir uns in wilden Serpentinen hinunter. Damit war die spektakuläre Landschaft aber noch nicht zu Ende: Unten angekommen, ging es nach wenigen Kilometern, wieder Richtung Südwesten, in eine Schlucht. Rötlich-weiße senkrechte Felswände begrenzten die Straße, die durch die Schlucht führte, die die Landschaften  der Karl-May-Filme wirklich in den Schatten stellt. Wir hielten oft, um zu fotografieren, auch weil die Abendsonne ein wunderbares kräftiges rötliche Licht bewirkte. 

Plötzlich waren wir aus der Schlucht heraus und wieder in der Ebene, vorbei an den Lagunen mit den Pelikanen und den Flamingos, zurück nach Messolonghi. Das Festland ist ein ebenso unglaublich schroffes, wildes und zerklüftetes Land wie der Peloponnes - faszinierend. 

Nach einer Segelsaison gibt es einiges zu tun, damit das Boot mit allem dran und drin gut gepflegt und gewartet in die Winterpause geht. Die Segel werden gut eingepackt. An Deck werden alle Teile aus Metall gereinigt und poliert. Auch das Holz braucht Pflege. Das Einölen des Teakdecks heben wir uns allerdings für das Frühjahr auf. Der Anker hat wohl ab und zu an Felsen geschabt. So ist seine Spitze rostig und muss abgeschliffen, neu grundiert und gestrichen werden. Schmutz und dunkle Flecken werden vom Rumpf entfernt. Alles wird auf kleine Schäden und die Funktionstüchtigkeit geprüft. Insbesondere der Motor braucht Aufmeksamkeit. Die beiden Dieseltanks sollten fast voll sein und ein Mittel gegen Dieselpest eingefüllt werden. Ölfilter und Öl werden gewechselt, die Keilriemen werden gespannt. Ein kleines Leck im Kühlwassersystem muss abgedichtet werden. John, der Segelmacher, kommt extra von Prevezza um die notwendigen Maße für ein neues Vorsegel aufzunehmen. Und eine größere Waschaktion ist fällig. Zum Glück scheint die Sonne auch in der zweiten Oktoberhälfte oft noch so intensiv, dass alles innerhalb weniger Stunden trocken wird. Es ist ein bißchen so wie ein Großputz daheim. Da sitzt man danach ja auch zufrieden bei einem Glas Wein und freut sich über sein blitzblankes Zuhause. 

Hoch über Patras liegt eins der berühmtesten Weingüter der Welt - Achaia Clauss. Benannt nach der Landschaft Achaia des nördlichen Peloponnes, und seinem Gründer, dem Bayern Gustav Clauss, der hier ursprünglich eine Obstexportfirma gründen wollte. Aber Wein ging besser, und so gründete er 1861 das Weingut. Es ist seit März wegen Corona geschlossen, sagte man uns. Als aber an dem hochherrschaftlichen Park ein Schiebetor aufging und ein Wagen herauskam, fuhren wir hinein, bevor das Tor schloss. 

Vom Wohngebäude aus hat man einen gigantische Blick auf Patras, die fruchtbare Ebene, den Golf und dahinter das wilde Festlandsgebirge. Die Villa ist einer byzantinischen Festung nachempfunden, sehr gediegen und luxuriös. Wir haben noch nie ein größeres Weingut gesehen - und das, obwohl wir viele in der Pfalz kennen…….

Wir fuhren also hoch und trafen einen Weinmacher, der uns erklärte, dass geschlossen sei, der uns aber trotzdem - exklusiv! überall herumführte und alles erklärte. 

Die schwarze Daphne (19) soll in der Flaschenfüllanlage gearbeitet haben, Clauss verliebte sich unsterblich in sie und nannte seinen ersten Wein nach ihr - Mavrodaphne. Den  gibt es übrigens nicht nur als süßen dunkelroten schweren Dessertwein, sondern auch trocken und auch weiß. Es werden auch andere klassische Trauben angebaut, neben Chardonnay, Merlot, Syrah, Cabernet, Cinsault auch die autochthonen griechischen wie Moschofilero, Roditis, Athiri und eben Mavro. 

Viele Berühmtheiten waren hier oder haben sich von hier Wein schicken lassen: Franz Liszt, die österreichische Kaiserin Sissi, Bismarck, Josefine Baker, Gary Cooper - auch Wladimir Putin. 

Wegen Corona sind Weinproben verboten - so mussten wir einige Flaschen sozusagen blind mitnehmen, wir sind gespannt. 

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Von Trizonia aus ging’s weiter entlang der Nordküste des Golfs von Korinth Richtung Golf von Patras, zunächst nach Nafpaktos. Da waren wir -  allerdings ohne Boot - vor einem Jahr mit Beatrix und Peter und haben das wunderbare Städtchen, die venezianische Festung und den spektakulären kleinen Hafen bewundert, näheres dazu unter „Wissenswertes“.  

Nafpaktos war - Samstag Abend - total voller meist junger Leute, die Cafés und Tavernen bis auf den letzten Platz besetzt. Hier merkte man mal mit Ausnahme der Masken der Kellnerinnen und Keller nichts von Corona. 

Es gibt neuerdings einen Schwimmsteg außerhalb der Stadtmauer, an dem man festmachen kann, denn der Hafen ist so winzig, dass man lieber nicht hineinfährt - zumindest nichtmit einem Boot unserer Größe. Der Steg hat den Nachteil, dass er völlig ungeschützt vor Wind und Dünung ist, was wir deutlich zu spüren bekamen. Am Nachmittag kam heftiger Wind mit starker Dünung auf, das Boot tanzte auf und ab, Leinen und Befestigungsklampen kamen an ihre Belastungsgrenze, glücklicherweise beruhigte sich das Spektakel am Abend. 

Am Sonntagmorgen brachen wir bei Flaute auf, weiter nach Westen. Bei der Einfahrt in den Golf von Patras unterquert man die spektakuläre Rion-Brücke, die den Peloponnes bei Patras mit dem Festland verbindet. Man meldet sich bei Rion Traffic auf Kanal 14 und muss die Höhe des Mastes angeben. Die ist bei uns 15 Meter, kein Problem bei einer größten möglichen Durchfahrtshöhe von 45 Metern in der Mitte. Trotzdem ein mulmiges Gefühl, wenn man etwas weiter von der Mitte wegdirigiert wird und der Abstand zwischen Mastspitze und Brücke vielleicht 5 Meter ist, spannend von unten zu sehen. 

Nach der Brücke kommt schon das steile Varasova-Gebirge, sozusagen der Hausberg von Messolonghi. Dann die riesigen weiten Lagunenlandschaften, wo die Wassertiefe abrupt teilweise bis auf 30 cm zurückgeht. Bei der Einfahrt in den Kanal muss man auch aufpassen, denn er ist ausgebaggert und neben der Fahrrinne stehen die Reiher und liegen die flachen Boote der Aalfänger. Der Badestrand Tourlida und die Pfahlbauten der Fischer (siehe auch den Beitrag in „Wissenswertes“) sind uns mittlerweile vertraut und bald sind wir in der Marina und machen fest. Wieder direkt vor der Bar. Mimis, der Barmann, freut sich, uns wiederzusehen, wir uns auch. Auch Dimitris, „unser“ Elektriker ist gerade da, beide sind befreundet. Ihre Söhne gehen in die gleiche Schulklasse. 

Wir sind also wieder „zu Hause“, der Kreis hat sich geschlossen, wir haben in zweieinhalb Monaten den Peloponnes umrundet. 600 Seemeilen und viele Landmeilen, zu Fuß und manchmal mit Leihauto oder auch mit Bus. Es war eine ganz wunderbare Reise in einem faszinierenden wilden Land, mit viel Geschichte und offenherzigen Menschen. Wir werden noch lange daran zurückdenken und die vielen Eindrücke verarbeiten. 

Stadtmauer und Festung von Nafpaktos
Hafeneinfahrt von Nafpaktos
Und so sieht sie von unserem Liegeplatz am Schwimmsteg aus.
Da hinten liegt unser Boot.
Auf dem Weg zur Rion-Brücke
Einfahrt in den Kanal von Messolonghi
Schön hier. Wir mögen Messolonghi sehr.